2024-07-23: Aidshilfe NRW bei der Welt-Aids-Konferenz 2024 in München | Berichte

Aidshilfe NRW bei der Welt-Aids-Konferenz 2024 in München

25. Welt-AIDS-Konferenz in München

In dieser Woche findet die Welt-Aids-Konferenz "AIDS 2024" nach über 30 Jahren erstmals wieder in Deutschland statt. Die Konferenz wird von der International AIDS Society (IAS) organisiert. Die IAS ist eine Non-Profit-Organisation und die weltweit größte Vereinigung von HIV-Fachleuten mit 11.600 Mitgliedern aus über 170 Ländern. Ihr Ziel ist es, die globalen Auswirkungen von Aids durch kollektives Eintreten zu verringern.

Die IAS rechnet mit ca.15.000 Besucher*innen aus der ganzen Welt. Die Konferenz versammelt neben international anerkannten Wissenschaftler*innen, Mediziner*innen und politisch Verantwortlichen, eine sehr große Zahl von Selbsthilfeprojekten und Vertreter*innen der Selbsthilfe aus aller Welt.

Auch die Aidshilfe NRW ist vor Ort und beteiligt sich mit Aktionen und Diskussionen im Global Village der Konferenz. Im Folgenden berichten wir von Eindrücken aus München.


Maßnahmen zur langwirksamen PrEP: Zugang und Umsetzung (26.07.2024, 12.00)

Mehrere Jahre nachdem die Studien HPTN 083 und HPTN 084 die überlegene Wirksamkeit einer langwirksamen PrEP mit Cabotegracvir im Vergleich zu einer täglichen PrEP nachgewiesen haben, wird ihre Wirkung auf die HIV-Pandemie durch Herausforderungen in der Versorgungskette, der Finanzierung, den klinischen Arbeitsabläufen und sozialen sowie strukturellen Faktoren behindert. In dieser Session diskutierten Vertreter*innen aus der Community, der Philanthropie, der Wissenschaft und Regierungsorganisationen, über die derzeitigen Bemühungen um einen besseren Zugang, die Lehren, die aus den Strategien zur Verbesserung der Umsetzung in Schlüsselgruppen gezogen werden können und die Maßnahmen, die erforderlich sind, um den Zugang zur langwirksamen PrEP zu verbessern sowie ihre Verbreitung zu fördern.

Diese Session wurde moderiert von Chrystal Bonzo (Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria, Simbabwe) und Esteban Burrone (Medicines Patent Pool, Schweiz). Die Sitzung beleuchtete Herausforderungen, Möglichkeiten, Maßnahmen und Strategien für den Zugang zu CAB-LA und deren Umsetzung in Schlüsselgruppen. Shirly Chen (Bill and Melinda Gates Foundation, USA) stellte Strategien und Maßnahmen vor, die erforderlich sind, um den Zugang zu CAB-LA auf globaler, nationaler, lokaler und individueller Ebene zu beschleunigen. Der Zugang muss auf mehreren Ebenen Priorität haben, um die Akzeptanz und Wirkung der langwirksamen PrEP zu fördern. Yolanda Lawson (National Medical Association, USA) beschrieb, was bekannt ist und was für die Umsetzung von CAB-LA bei schwarzen homosexuellen und transsexuellen Frauen in den USA erforderlich ist, basierend auf den Erfahrungen aus der EBONI-Studie. Adamson Ndhlovu (JSI/USAID DISCOVER-Health, Sambia) stellte Möglichkeiten und Herausforderungen im Zusammenhang mit der Einführung der langwirksamen PrEP in Sambia vor. Das Engagement der Community, die Schaffung von Nachfrage und die Bereitschaft der Gesundheitseinrichtungen trugen wesentlich zur erfolgreichen Umsetzung bei. Anne-Isabelle Cameron (Unitaid, Schweiz) beschrieb Innovationsmodelle, die für die Umsetzung von CAB-LA erforderlich sind. Der Zugang sollte nicht erst im Nachhinein erfolgen, sondern muss sorgfältig geplant werden, wobei der Schwerpunkt auf Innovation, Qualität, Erschwinglichkeit, Angebot, Nachfrage und Akzeptanz liegen muss. Die Umsetzung von CAB-LA ist nützlich, um den Zugang zu Lenacapavir zu informieren und zu beschleunigen.

In dieser Session wurde aufgezeigt, wie der Zugang zu CAB-LA beschleunigt werden kann und welche verschiedenen Herausforderungen, Möglichkeiten und Lösungen für eine erfolgreiche Umsetzung erforderlich sind. Der Zugang und die Umsetzung dieses wirksamen Präventionsinstruments sind der Schlüssel zur Beendigung der HIV-Epidemie. Ohne Strategien auf globaler, nationaler, lokaler und individueller Ebene mit der notwendigen Finanzierung und Infrastruktur ist dieser bedeutende gesundheitliche Nutzen jedoch nicht durchführbar oder realisierbar.


Der lange und kurvenreiche Weg: Trends bei HIV-Diagnose, -Behandlung und -Mortalität (26.07.2024,11.30 Uhr)

In dieser Sitzung drehten sich alle vorgestellten Studien um Entwicklungen und Trends bei Menschen, die in verschiedenen Ländern mit HIV leben. Obwohl Fortschritte bei der Frühdiagnose, den pädiatrischen Fällen, dem Beginn der Behandlung und der Sterblichkeit erzielt wurden, gibt es nach wie vor zahlreiche Herausforderungen, die die erzielten Fortschritte gefährden könnten.

Daniel Perry (South East Regional Health Authority, Jamaica) analysierte die Veränderungen bei der Demografie, dem klinischen Stadium und der Lokalisierung von 1990 bis 2020 in Jamaika. Die Zahl der pädiatrischen HIV-Fälle ging zurück und die Frühdiagnose verbesserte sich. Die rechtzeitige Diagnose bei älteren Menschen und Männern bleibt eine Herausforderung. Amira Adam (University of California, San Francisco, USA) analysierte die Daten von Menschen im Sudan, bei denen zwischen 2012 und 2020 HIV diagnostiziert wurde. Es wurde eine gewisse Verbesserung der Frühdiagnose und eine deutliche Verbesserung der rechtzeitigen und schnellen ART-Einleitung festgestellt. Allerdings sank der Anteil der Menschen, die weiterhin ART erhalten, von 39 % in den Jahren 2015 bis 2017 auf 2 % in den Jahren 2018 bis 2020, was vor allem auf den Krieg und COVID-19 zurückzuführen ist. Bruce Shinga Wembulua (Service des Maladies Infectieuses et Tropicales (SMIT), Fann University Hospital, Senegal) bewertete die Veränderungen bei der Frühsterblichkeit im Senegal nach der Einführung der universellen Test- und Behandlungsstrategie und Dolutegravir-basierter Regime. Das frühe Sterberisiko ist deutlich gesunken, doch die späte Vorstellung zur Behandlung bleibt eine Herausforderung. Niramon Punsuwan (Division of AIDS and STI, Thailand) analysierte Trends und räumliche Unterschiede in Thailand. Die alters- und geschlechtsbereinigte  Sterblichkeitsrate stieg von 2008 bis 2022 an, was auf nicht aidsbedingte Todesfälle und auf die nicht behandelten Personen zurückzuführen ist. Trotz eines Rückgangs der Standardsterblichkeitsraten in vielen Provinzen bestehen weiterhin räumliche Unterschiede in der Sterblichkeit. Lakshmi PVM (Postgraduate Institute of Medical Education and Research, India) verwendete Sentinel-Daten über männliche Gefängnisinsassen in Nordindien. Von 2019 bis 2023 stieg die HIV-Seroprävalenz, während das Wissen über den Status und die Anwendung von ART zurückgingen. Diese Trends wurden teilweise durch den zunehmenden injizierenden Drogenkonsum erklärt.

Die Analyse der Trenddaten zeigt, dass in vielen Ländern Fortschritte bei der Testung, Diagnose und Behandlung erzielt wurden. Dioe Ergebnisse zeigen jedoch auch, dass einige Bevölkerungsgruppen immer noch im Hintertreffen sind. Schlimmer noch, die Präsentation aus dem Sudan zeigt, dass diese Erfolge im Falle von Unruhen leicht zunichte gemacht werden können. Es ist daher wichtig, die Bemühungen aufrechtzuerhalten und regelmäßig zu prüfen, ob das Land noch auf dem richtigen Weg ist, um die UNAIDS-Ziele zu erreichen.


Ko-Infektionen: Langzeit-Virusinfektionen im Mittelpunkt (25.07.2024, 17.00 Uhr)

Chronische Virusinfektionen betreffen Menschen mit HIV überproportional stark und wirken sich langfristig auf die physische und psychische Gesundheit aus. Diese Session befasste sich mit der CMV-bedingten Morbidität und möglichen Behandlungsstrategien, der Behandlung und Prävention von HPV-bedingten Erkrankungen und der HSV-Prävention.

Dr. Léna Royston (Geneva University Hospitals, Switzerland) sprach über CMV, ein lebenslanges Virus mit hoher globaler Seroprävalenz, das latent bleibt und in regelmäßigen Abständen reaktiviert wird. Menschen mit Behinderung haben eine höhere CMV-Seroprävalenz und symptomatische Ausscheidungen. CMV und HIV zusammen können Nicht-Aids-Ereignisse verstärken. Valganciclovir reduziert die CMV-Ausscheidung und die Entzündung, wenn auch mit Toxizität. Letermovir ist bei Menschen mit HIV ist vielversprechend, muss aber weiter untersucht werden. Die Entwicklung eines Impfstoffs zur Verringerung der Immunaktivierung ist im Gange. Dr. Nelly Mugo (University of Washington, Kenya) hob HPV-bedingte Krebserkrankungen hervor und wies darauf hin, dass HPV 16 der häufigste krebserregende Serotyp bei allen Krebsarten ist, einschließlich Gebärmutterhalskrebs bei Frauen und Analkrebs bei Männern. Die HPV-Behandlung umfasst die Impfung, die Früherkennung durch Screening und die Behandlung von Präkanzerosen und invasivem Krebs. Die Impfung ist bei der Vorbeugung von Krebs bis zu 100 % wirksam. Künstliche Intelligenz hat eine höhere Sensitivität und Spezifität als die visuelle Inspektion mit Essigsäure im HPV-Screening-Test. Point-of-Care-HPV-Screening und Selbstentnahme verbessern die Inanspruchnahme der Gebärmutterhalskrebsvorsorge. Die thermische Ablation ist eine nützliche Behandlung. Dr. Anna Wald (University of Washington, USA) ging auf die HSV-Prävention ein und betonte die Bedeutung von Tests, der Benachrichtigung von Partner*innen, der Vermeidung von Sex während der Läsionen, der Suppressivtherapie und der Verwendung von Kondomen. Eine wirksame Kontrolle erfordert außerdem eine zuverlässige Diagnostik, eine antivirale Therapie und Safer-Sex-Praktiken. Neue antivirale Medikamente wie Pritelivir sind vielversprechend, aber es bestehen weiterhin Sicherheitsbedenken. mRNA- und Protein-Impfstoffe befinden sich in der Entwicklung.

Die Reaktivierung von CMV und das Wiederauftreten von HSV im Laufe des Lebens verursachen bei Menschen mit HIV körperliche und seelische Leiden. HPV verursacht Krebs, insbesondere Gebärmutterhalskrebs bei Frauen und Analkrebs bei Männern. Die derzeitige CMV-Behandlung basiert auf Ganciclovir oder Valganciclovir. Letermovir, das eine geringere Toxizität aufweist, muss bei Menschen mit HIV weiter untersucht werden. Für HSV sind zuverlässige Diagnosen erforderlich, und die Vermeidung von Geschlechtsverkehr während der Infektion kann dazu beitragen, die Ansteckung hinauszuzögern; Impfstoffe für beide Viren befinden sich in der Entwicklung. Die Früherkennung von HPV durch verbesserte Screening-Strategien bleibt eine große Herausforderung.


Die doppelte Last des Klimas: Der Umgang mit den am stärksten von HIV betroffenen Regionen (25.07.2024, 15.00 Uhr)

In der Sitzung zum Thema Klimawandel und Gesundheit, die von Collins Iwuji (BSMS, Großbritannien) und Katie Williams (FHI-360, USA) moderiert wurde, wurden vier afrikanische Studien zu den Auswirkungen der klimabedingten Migration auf HIV, zu Ressourcenunsicherheit und HIV-Risiko bei Jugendlichen, zu den gesundheitlichen Auswirkungen von Überschwemmungen und zu den Auswirkungen des Klimawandels auf gefährdete Kinder vorgestellt.

Olabode Elerin (University of Port Harcourt, Nigeria) führte eine systematische Untersuchung über die Auswirkungen der klimabedingten Migration auf die HIV-Anfälligkeit in Afrika durch. Regionen, die klimabedingten Stressfaktoren ausgesetzt sind, verzeichnen erhöhte Migrationsraten und zeigen die wechselseitige Abhängigkeit von sozioökonomischen Faktoren auf. Carmen Logie (University of Toronto) präsentierte eine Multimethodenstudie über die Beziehung zwischen klimabedingten Faktoren und HIV-Anfälligkeit bei Jugendlichen (10-14 Jahre) in Kenia. Die Ergebnisse zeigten, dass klimabedingte Veränderungen die Unsicherheit in Bezug auf Nahrungsmittel, Wasser und sanitäre Einrichtungen erhöhen. Diese Unsicherheiten wurden mit einer besonderen HIV-Anfälligkeit in Verbindung gebracht. Transaktionsbedingter Sex und sexuelle Gewalt wurden durch die unsicheren Ressourcen noch verschärft. Die von Joseph Njala (Partners in Hope, Malawi) durchgeführte Studie untersuchte den Gesundheitszustand der vertriebenen Bevölkerung, die nach den Überschwemmungen in mobilen Kliniken medizinisch versorgt wurde. Im Vergleich zu den Einheimischen hatten die vertriebenen Teilnehmer*innen eher keine formale Bildung, einen schlechteren selbst eingeschätzten Gesundheitszustand, einen Bedarf an HIV-Tests und an Dienstleistungen für Kinder unter 5 Jahren. Delia Chimedza (Family AIDS Caring Trust, Simbabwe) untersuchte die Auswirkungen des Klimawandels auf verwaiste und gefährdete Kinder. Unter Verwendung eines partizipatorischen Ansatzes und von Instrumenten wie Tagesuhren und Gefährdungsmatrizen wurde festgestellt, dass sich der Klimastress negativ auf die Gesundheit, die Ernährung und den Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung der Kinder auswirkt. Die Studie unterstreicht die Bedeutung von gemeinschaftsgeführten Sicherheitsnetzen und Anpassungsstrategien.

Die Studien zeigen kritische Überschneidungen zwischen Klimawandel und HIV-Anfälligkeit auf. Die klimabedingte Migration in Afrika erhöht das HIV-Risiko und macht interdisziplinäre Strategien erforderlich. In Kenia führen unsichere Ressourcen wie Wasser und Nahrung zu einer erhöhten HIV-Anfälligkeit bei Jugendlichen. Die mobilen Kliniken in Malawi behandeln akute und chronische Erkrankungen nach den Überschwemmungen wirksam, verdeutlichen aber den Bedarf an multidisziplinären Gesundheitsteams. Die Bewertung von Simbabwe zeigt, dass die klimatischen Belastungen erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit und Entwicklung von Waisen und gefährdeten Kindern haben, was die Notwendigkeit anpassungsfähiger, gemeinschaftsgeführter Sicherheitsnetze unterstreicht. Insgesamt unterstreichen diese Ergebnisse die Bedeutung integrierter, klimabasierter Gesundheitsmaßnahmen, um die Doppelbelastung durch Klimawandel und HIV abzumildern.


Die verschiedenen Arten der Gentherapie zur HIV-Heilung (25.07.2024, 10.30 Uhr)

Auf diesem Symposium wurden die jüngsten Fortschritte und Herausforderungen im Bereich der Gentechnologie zur Heilung von HIV zusammengefasst. Die in der Entwicklung befindlichen Gentherapien zielen darauf ab, die Zielzellen gegen die Infektion resistent zu machen, die integrierten Proviren spezifisch zu entfernen oder zu deaktivieren oder die Immunzellen so zu verändern, dass sie als Reaktion auf virale Antigene antivirale Moleküle (einschließlich bNAbs) produzieren oder ihre Fähigkeit zur Beseitigung der infizierten Zellen verbessern. Vorgestellt wurden: Stand der Dinge des Gen-Editing bei HIV, Vorstellung der ersten Gentherapiestudie am Menschen mit CRISPR bei Erwachsenen mit HIV-1 und die jüngsten Fortschritte beim B-Zell-Engineering bei HIV. Dr. Ben Berkhout (Amsterdam UMC, Netherlands) erläuterte, wie CRISPR-Cas zur Bekämpfung der HIV-DNA eingesetzt wird. Er wies auf den großen Erfolg von Gentherapien bei Krankheiten wie Sichelzellenanämie und Beta-Thalassämie hin. Im Gegensatz zu diesen Krankheiten werden jedoch noch mehrere Editierungen benötigt, um HIV zu bekämpfen, und während dieses Prozesses können möglicherweise unbeabsichtigte große chromosomale Deletionen (eine Art Mutation, die den Verlust eines oder mehrerer Nukleotide aus einem DNA-Abschnitt beinhaltet) auftreten. Diese großen Deletionen könnten sich positiv auswirken, z. B. durch die Inaktivierung von HIV, sie könnten aber auch zum Verlust von Zellfunktionen oder zur Aktivierung von Protoonkogenen führen, was schließlich zu einer bösartigen Zelltransformation führen könnte. Dr. Rachel Presti (Washington University, USA) stellte EBT-101 vor, den ersten In-vivo-Gentherapieansatz zur zur Entfernung des latenten HIV-Provirusgenoms mit AAV9-Multiplex-CRISPR-SaCas9. Sechs HIV-Infizierte unter ART wurden in die Studie einbezogen. Diese Gentherapie war sicher, und es wurden keine DNA-Schäden außerhalb des Ziels beobachtet. Bei einem Teilnehmer verzögerte sich der virale Rebound während der Unterbrechung der analytischen Behandlung um 16 Wochen, was mit einer Verringerung des HIV-Virenreservoirs einherging. Dr. Tianling Ou (Broad Institute, USA) stellte Anwendungen vor, die sich aus der Züchtung von B-Zellen zur Expression breit neutralisierender Antikörper ergeben. Diese gentechnisch veränderten B-Zellen könnten verwendet werden für die Entwicklung neuartiger In-vivo-Impfstoffmodelle und die Entwicklung von Immunogenen, für die Untersuchung der Antikörperentwicklung und für die Herstellung neutralisierender Seren für die antivirale Therapie.

Trotz der bedeutenden Fortschritte bei den Gen-Editierungswerkzeugen für HIV gibt es noch große Herausforderungen, die angegangen werden müssen. So erfordern beispielsweise die unbeabsichtigten großen Deletionen, die beim CRISPR-Cas-Gen-Editing auftreten können, eine langfristige Nachbeobachtung in aktuellen und künftigen klinischen Studien, um mögliche Off-Target-Effekte von Gentherapien zu erkennen. Die Skalierbarkeit der Gentherapie und ihre begrenzte Wirksamkeit sind ebenfalls wichtige Fragen, die es zu lösen gilt. Die Entwicklung neuer In-vivo-Strategien für das Design von Immunogenen und Antikörpern durch B-Zell-Engineering wird jedoch die Entwicklung von Impfstoffen und antiviralen Therapien voranbringen.


Parlamentarier vereint im Kampf gegen Aids (24.07.2024, 16.30 Uhr)

Angesichts eskalierender politischer Spaltungen und bevorstehender Wahlen in mehr als 60 Ländern hat die Dringlichkeit einer nachhaltigen globalen Solidarität bei der Bekämpfung von HIV und Aids ein Ausmaß erreicht wie noch nie. Dieses Symposium befasste sich mit der entscheidenden Rolle der Parlamentarier bei der politischen Unterstützung für die HIV-Bekämpfung. Es konzentrierte sich auf den Schutz der wichtigsten Bevölkerungsgruppen, die Förderung der Führungsrolle der Communities und die Sicherstellung nationaler Mittel und der öffentlichen Entwicklungshilfe.

Esteban Paulón, Mitglied des National Congress von Argentinien berichtet, dass im Parlament im vergangenen Jahr eine umfangreiche soziale Versorgung für Menschen mit HIV verabschiedet wurde. Jetzt, nachdem eine konservative Regierung ins Amt gekommen sei, befürchteten viele, dass die Gesetzgebung zurückgenommen werde. Paulón weist darauf hin, dass es nicht alleine um die Rechte der Menschen mit HIV gehe, sondern um Menschenrechte, Frauenrechte, Trans*rechte und so weiter. Aber Argentinien sei kein Einzelfall, auch in anderen Ländern sei ein solcher Rollback festzustellen. Doch er als Aids-Aktivist könne er die Rechte nun von seinem Parlamentssitz aus verteidigen. David Mundell, Member of Parliament, wies darauf hin, dass das United Kingdom seinen internationalen Einfluss geltend machen müsse, um der Rücknahme von Rechten Einhalt zu gebieten. Dies geschehe bereits in den Commonwealth-Staaten, auch wenn es nicht angebracht sei, anderen Staaten vorzuschreiben, wie es zu gehen habe. Es sei notwendig, im Schulterschluss mit anderen Staaten die Menschenrechte zu verteidigen. Dem schloss sich auch Andrew Ullmann, Mitglied des Deutschen Bundestags, an. Es gehe um Kooperation, Vernetzung mit Parlamentarier*innen anderer Länder, um im Sinne der weltweiten Gesundheit zu arbeiten. Das beträfe natürlich auch alle Teile der Bevölkerung, die von Menschen anderer Länder lernen könnten, sich austauschen und diskutieren könnten.  Ruth Labode, Parliament of Zimbabwe, Zimbabwe, spricht über Menschenrechtsverletzungen bei LGBT beispielsweise in Sambia und Uganda. Es sei so wichtig, bei internationalen Treffen unerbittlich darauf hinzuweisen und diese zu verurteilen.

Mehr als 370 Abgeordnete aus über 45 Ländern haben sich zusammengeschlossen, um die Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und die politische Unterstützung für die Beendigung von HIV-Übertragungen im Rahmen der Gründungserklärung der Globalen Parlamentarischen Plattform zu HIV und AIDS wiederherzustellen.


HIV im Kontext politischer Instabilität und von Notfällen (24.07.2024, 11.30 Uhr)

In dieser Session beschäftigten sich die Referent*innen mit ihren Forschungsergebnissen zu stabilen und beweglichen Faktoren, die bei der HIV-Infektion eine Rolle spielen. Dini Harsono vom Zentrum für interdisziplinäre AIDS-Forschung an der Universität Yale (USA) gab eine Übersicht über Faktoren, die mit dem Erwerb von HIV im Zusammenhang mit humanitären Krisen in Verbindung stehen. Keshab Deuba vom Forschungszentrum für öffentliche Gesundheit und Umwelt (PERC) in Nepal bewertete die Unterbrechung von HIV-Tests und -Behandlung in Nepal während der COVID-19-Pandemie. Robert Ndungu Josphine von der Community Health Advocacy and Learning Initiative in Kenia sprach über die Skalierung und Ausarbeitung von Risikominderungsstrategien für Programme für die Schlüsselbevölkerung im Kontext eines komplexen und sich verändernden rechtlichen, sozialen und politischen Umfelds in Kenia. Krystyna Rivera von CO "100% LIFE" in der Ukraine berichtete über die Bereitstellung von Rechtsinformationen durch den Chatbot "Legal Bot 100% LIFE" während des Krieges und des Kriegsrechts auf dem Gebiet der Ukraine. Schließlich gab Salome Kuchukhidze von der McGill-Universität (Kanada) einen Überblick über die Auswirkungen von HIV-Stigmatisierung und -Diskriminierung auf Gemeindeebene bei HIV-Tests, Therapiebeginn und Unterdrückung der Viruslast in 33 afrikanischen Ländern.

Alle Sprecher*innen waren sich einig, dass die Stigmatisierung und Diskriminierung die Hauptfaktoren seien, von denen Testangebote, Behandlung und deren Effektivität beeinflusst seien. Ricardo Baptista Leite, langjähriger Abgeordneter des Portugiesischen Parlaments und heute bei HealthAI in Genf (Schweiz) tätig (Globale Agentur für verantwortungsvolle KI im Gesundheitswesen) resümierte, dass wissenschaftliche Daten unabdingbar seien für die Aidsarbeit. Er dankte allen, die an dieser Session teilgenommen haben, und ermutigte alle Anwesenden, in ihren Ländern gegen die Stigmatisierung von HIV und die Diskriminierung von Menschen mit HIV vorzugehen.


Gesundheit freisetzen: Die Macht von N=N in der HIV-Prävention und -Behandlung (24.07.2024, 10.30)

Es ist unbestritten, dass das Konzept „nicht nachweisbar = nicht übertragbar“ (N=N) wissenschaftlich fundiert und durch eine Fülle klinischer Beweise gestützt ist. Eine nicht nachweisbare Viruslast ist das Ziel der antiretroviralen Therapie (ART). Die Einhaltung und Aufrechterhaltung der ART ist der Schlüsselfaktor für eine nicht nachweisbare Viruslast und ist für die Wirksamkeit der N=N-(Präventions)-strategie von wesentlicher Bedeutung. Menschen, die mit HIV leben, sollten verstehen, was es bedeutet, eine nicht nachweisbare Viruslast zu haben. Dies motiviert und inspiriert sie, sich an die Therapie zu halten und ermutigt sie, ihre eigene Gesundheit zu kontrollieren und zu verwalten. Mit HIV gesund zu bleiben ist der Schlüssel zum Ende der Epidemie, vorausgesetzt, es wird in der Gemeinschaft und unter den Beschäftigten des Gesundheitswesens gut kommuniziert und von den politischen Entscheidungsträgern unterstützt.

Bruce Richman (Prevention Access Campaign, UUSA) und Mandisa Dukashe (South African National AIDS Council) erklärten, wie ermutigend die N=N-Botschaft für Menschen ist, die mit HIV leben. Jumoke Patrick (The Jamaican Network of Seropositives) zeigte, wie N=N-Aktivitäten von der Community geleitet werden, obwohl es keine politische Unterstützung gibt. Vermittler*innen aus der Community gehen auf HIV-Infizierte zu, die sich nicht an die Therapie halten oder nicht betreut werden, wodurch die Zahl der in der Therapie verbleibenden Personen erhöht werden konnte. Er führte das dritte „U“ (yoU), die Person, ein und erweiterte die Botschaft zu U=U=U. Monique Carry (Centers for Disease Control and Prevention, USA) befasste sich mit der Frage, wie die Lücke zwischen den Richtlinien der WHO und der einzelnen Länder sowie den Einstellungen der Gesundheitsdienstleister*innen geschlossen werden kann. Das Wissen um N=N müsse weiter kommunizioert werden, mit dem Ziel, die Quellen des Widerstands und Zweifel zu beseitigen, und ein ein Gleichgewicht zwischen dem Nutzen für den Einzelnen und der öffentlichen Gesundheit hergestellt werden. Es müsse mehr auf die Bedenken von Anbieter*innen im gesundheitlichen und sozialen Kontext eingegangen werden un dderen Fähigkeit gestärkt werden ihren Kund*innen und Klient*innen N=N glaubhaft vermitteln zu können. Dinah Bons (Transgender Europe, Netherlands) berichtete über die Zusammenarbeit zwischen Dienstleistungsanbieter*innen und der Community in den Niederlanden und Frankreich, um die N=N-Botschaft zu verbreiten. Sie war der Meinung, dass die Botschaft durch die Verwendung von Vorbildern und persönlichen Berichten aus dem wirklichen Leben verständlich und identifikationsstiftend sein muss. Donald Sheppard (Public Health Agency of Canada) zeigte, wie N=N Teil des nationalen Aktionsplans wurde. Es wurden Sensibilisierungskampagnen entwickelt und gemeindegeführte Maßnahmen unterstützt. Er betonte, wie wichtig es ist, die Unterstützung von Meinungsführer*innen bei Anbieter*innen aus unterschiedlichen Bereichen und den Communities zu gewinnen. Insbesondere wies er auf die besonderen Herausforderungen im Kontext der zielgerichteten Kommunikation von Präventionsbotaschaften in einem zweisprachigen Land und unterschiedlichere indigener Völker hin.

Die Verbreitung der Botschaft „nicht nachweisbar = nicht übertragbar“ wird die Zahl der HIV-Tests und die Therapietreue erhöhen, Ängste und Stigmatisierung verringern und das Engagement der Patient*inne in der Behandlung verbessern. Eine Vereinfachung der Botschaft auf „HIV kann nicht durch Sex übertragen werden, wenn ein HIV-infizierter Mensch in Behandlung ist“ wie in Kanada könnte hilfreich sein, ebenso wie die Verwendung von Vorbildern und Aussagen von Menschen, die mit HIV leben. Mögliche Missverständnisse und Bedenken müssen dringend ausgeräumt werden. Die Verbreitung der Botschaft„nicht nachweisbar = nicht übertragbar“, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt, wird zusammen mit anderen Innovationen wie lang wirkenden antiviralen Medikamenten zu einer Welt ohne HIV und Aids beitragen.


Aufkommende Muster: Erforschung von Trends und Verschiebungen beim Drogenkonsum (23.04.2024, 16:00 Uhr)

  • Einführung: Carolina Coutinho, Instituto Nacional de Infectologia Evandro Chagas, Brasilien
  • "Erprobung von Online-Diensten für Menschen, die neue psychoaktive Substanzen konsumieren, um die HIV-Prävalenz zu ermitteln", Chinara Imankulova, Öffentliche Stiftung "AFEW", Kirgisistan
  • "Bluetoothing": Wissen, Einstellungen und Verhalten zu unsicherem Drogeninjektionsverhalten und den damit verbundenen Risiken für die HIV-Übertragung unter Jugendlichen und jungen Menschen in Simbabwe", Hanul Choi, Population Solutions for Health, Simbabwe
  • "Synergistische Auswirkungen der Exposition gegenüber verschiedenen Arten von Gewalt auf die nicht tödliche Überdosierung bei Frauen, die Drogen injizieren, in Indonesien: Auswirkungen auf die Erweiterung des Anwendungsbereichs von Diensten zur Schadensminimierung", Claudia Stoicescu, Monash Universität, Indonesien, Indonesien
  • "Veränderung von Risikoverhaltensweisen bei Drogenkonsumenten: eine Mischung aus gemeinschaftlichen Maßnahmen zur sexuellen und reproduktiven Gesundheit und zur Schadensminderung in der Dominikanischen Republik", Ana Martin, Centro de Orientación e Investigación Integral (COIN), Dominikanische Republik, die
  • "Der einfachste Weg: Eine Analyse mit gemischten Methoden zur Frage, warum Frauen, die Drogen injizieren, sich für das langwirksame injizierbare Cabotegravir anstelle der täglichen oralen PrEP entschieden haben", Alexis M. Roth, Drexel University, Vereinigte Staaten

Die Abstracts des Workshops finden Sie hier.


Podiumsdiskussion zu N=N (23.07.2024, 16.00 Uhr)

Mitten im Global Village der Welt-Aids-Konferenz befindet sich die Networking Zone der Deutschen Aidshilfe, in die Organisationen und Netzwerke aus Deutschland eingeladen wurden. Hier diskutierten HIV-Aktivist*innen über N=N, das zum feststehenden Begriff für die Tatsache geworden ist, dass Menschen mit HIV unter wirksamer Therapie, andere nicht mehr anstecken können. Während Meike und Gottfried bereits 2008 durch das Statement der Eidgenössischen Kommission für Aidsfragen (EKAF) erfahren haben, dass eine HIV-infizierte Person unter funktionierender antiretroviraler Therapie das HI-Virus über Sexualkontakte nicht weitergeben kann, wurde Gerhard dies erst zehn Jahre später anlässliche der Welt-Aids-Konferenz in Amsterdam bewusst. Alle drei äußerten, welch große Erleichterung diese Tatsache für Menschen mit HIV bedeutet. Meike äußerte, dass sie als Mutter es als sehr beglückend empfinde, für ihre Kinder keine Gefahr darzustellen. Im normalen Alltag kommt N=N eigentlich nur in zwei Kontexten zur Sprache, bei Sexdates oder im Gesundheitswesen. Während sich vor allem schwule Männer informell durch Codewörter ("Ich bin unter der Nachweisgrenze" oder "Ich nehm die PrEP") verständigen, kommt es im Medizinsystem verstärkt zu formellen Anfragen. Hier betonten die Aktivist*innen, dass man die Fragen nach den Blutwerten ("Haben Sie Ihr Aids im Griff?") immer wieder auch als unangemessen wahrnehme. Mediziner*innen sollten wissen, dass auch Menschen ohne Therapie oder solche, die nicht unter der Nachweisgrenze sind, keine Gefahr bei medizinischen Untersuchungen darstellen. Gottfried äußerte, er könne dann nicht an sich halten und kläre die behandelnden Ärzt*innen bei solchen Fragen auf. Aus dem Publikum wurde geäußert, man finde sich lieber damit ab, weil man keine Lust auf Diskussionen hätte. Eine weitere Stimme aus dem Publikum beklagte, dass nach wie vor zwischen den guten Positive (unter der Nachweisgrenze) und schlechten Positiven unterschieden würde. Sie müsse sich die Nichtdiskriminierung nicht erarbeiten, diese sei vorauszusetzen. Hat die Deutsche Aidshilfe also die Propagierung von N=N als Mittel der Antidiskriminierung überschätzt? Dies wurde bejaht. Und doch stelle "N=N" einen unglaublichen Wert dar, wenn es darum geht, die Selbststigmatisierung zu beenden.


Ein Jahr nach REPRIEVE: Primärprävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen (23.07.2024, 15.00 Uhr)


Ein Jahr nach der Vorstellung der bahnbrechenden REPRIEVE-Studie auf der IAS 2023 stellt sich die Frage, wo wir bei der Primärprävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen weltweit stehen? Sind Statine ein realistischer Vorschlag für Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen? Beschönigen wir die potenziellen Schäden? Und was bedeutet das für jemanden, der mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu kämpfen hat? Die REPRIEVE-Studienergebnisse zeigen, dass Pitavastatin die Inzidenzrate von Herzerkrankungen bei Menschen mit HIV um 36 Prozent senkt.

  • Einführung: Anchalee Avihingsanon, HIV-NAT, AIDS-Forschungszentrum des thailändischen Roten Kreuzes und Lene Ryom, Universitätskliniken Kopenhagen
  • "CVD-Epidemiologie und Präventionsstrategien weltweit", Romit Bhattacharya, Massachusetts General Hospital (USA)
  • "Wie lässt sich die CVD-Prävention in die HIV-Versorgung in LMICs integrieren?" Mark Siedner, Africa Health Research Institute (Südafrika)
  • "Was dies für HIV-Gemeinschaften bedeutet: Eine gelebte Perspektive", Ophelia Haanyama-Orum, Posithiva Gruppen (Schweden)

Menschen, die seit Jahren oder Jahrzehnten mit HIV leben, haben häufig unterschiedliche antiretrovirale Therapieentwicklungen und -strategien durchlaufen, wovon einige tiefgreifende kardiometabolische Auswirkungen hatten. Darüber hinaus ist bekannt, dass die Risikofaktoren, die auf den Lebensstil zurückzuführen sind, wichtig sind. Weitere Faktoren, die bei der Entwicklung von Präventionsstrategien in Hinblick auf kardiovaskuläre Ausgangsbedingungen eine wichtige Rolle spielen, sind zum einen die sehr unterschiedliche weltweite Verteilung von Menschen, die mit HIV leben, sowie die die Ungleichverteilung zwischen metabolischen Risiken und kardiovaskulären Augangssituationen. Daher müssen bei der Entwicklung von Präventionsstrategien überschneidende Faktoren berücksichtigt werden. Es muss ein weltweiter Zugang mit einer entsprechenden Infrastruktur entwickelt werden, der den Zugang zu Medikamenten und Diagnosemöglichkeiten gewährleistet. Allerdings muss man beachten, dass Statine für Menschen mit HIV in Ländern mit hohem Einkommen und auf der Grundlage der dort vorherrschenden Ereignisrate kardiovaskulärer Erkrankungen, ein klaren Nutzen hat. Ob sich dieser gleiche Effekt aufgrund der relativ geringen Ereignisrate in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen übertragen lässt, ist noch nicht beantwortet.

Weitere Infos zur REPRIEVE-Studie:
reprievetrial.org
aidshilfe.de


40 Jahre HIV-Aktivismus - 40 Jahre Engagement der Community (23.07.2024, 13.00 Uhr)

40 Jahre Aidshilfe stehen auch für 40 Jahre Beteiligung der Communities an der HIV-Prävention und Bekämpfung von Aids. Obwohl der Beteiligung der Zielgruppen an dieser Arbeit eine große politische Bedeutung beigemessen wird, man denke nur an die Position der Vereinten Nationen in dieser Frage, werden für zielgruppenspezifische Projekte nach wie vor zu wenig Mittel zur Verfügung gestellt. Zugleich steigt die Diskriminierung gegenüber Menschen mit HIV und den Zielgruppen unserer Arbeit und der Druck vonseiten konservativer und nationalistischer Regierungen.Darüber diskutierten in einer Podiumsveranstaltung Vertreter*innen aus Südafrika, Brasilien, Ukraine und Kenia mit der Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Aidshilfe, Silke Klumb. Darin waren sich alle einig: ohne finanzielle Mittel kein ehrenamtliches Engagement, ohne Geld keine von der Community gestalteten Projekte. Und dabei wissen alle, wie wirksam die Community-organisierte Arbeit ist.

Ein Blick in die Geschichte: Die Beschäftigung mit der Immunschwächekrankheit Aids hat von unten nach oben begonnen. Erste Strategien und Maßnahmen wurden aus den Communities heraus entwickelt und durchgeführt, bevor die Regierung und die Fachleute des öffentlichen Gesundheitswesens überhaupt tätig wurden. Am effektivsten ist, wenn Safer-Sex-Maßnahmen und Harm-Reduction bei injizierendem Drogenkonsum, die Einhaltung der Menschenrechte und die Verknüpfung von öffentlicher Gesundheit, Wissenschaft und der am stärksten von HIV/Aids Betroffenen gewährleistet ist. Im globalen Süden profitierten die Communities auch vom Erstarken der Demokratien vor Ort und trugen in den 90er Jahren zur Unterstützung lokaler demokratischer Bewegungen bei. In vielen Ländern lässt sich die Aids-Bekämpfung als Dreieck charakterisieren: Öffentlichkeit (Regierung), Wissenschaft und Organisationen der Zivilgesellschaft. Nun droht ein extremer Mangel an finanziellen Mitteln: Aids hat gegenüber anderen aufkommenden Ursachen (z.B. Klimawandel) an Bedeutung verloren. Gleichzeitig fließt immer mehr Geld in Kriege (u. a. Ukraine und Gaza), auch sinkt das Interesse potentieller Spender*innen. Klar ist: Kürzungen der Mittel für die Aids-Arbeit führen zu mehr Krankheit und Tod. Doch ist das Fehlen von Mitteln kein finanzielles, sondern ein politisches Problem. Wie kann in Anbetracht der oben genannten Zusammenhänge die Jugend in die Führungsrolle eingebunden werden, wenn die erste und zweite Generation von Aktivist*innen abtritt? Wer wird sich zukünftig im Aktivismus starkmachen? Wie kann man in Zeiten von digitalem Aktivismus und KI die Mobilisierung aufrechterhalten und verstärken?

Die reichhaltige Erfahrung von 40 Jahre Engagement, die eingespielten Standards und guten Ergebnisse der Communityarbeit sind aufgrund politischer, sozialer und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen akut gefährdet. Dabei könnte das, was wir in der Vergangenheit im Umgang mit HIV/Aids lernen konnten, für zukünftige Pandemien ebenso nützlich sein wie bei der Bewältigung der Folgen des Klimawandels auf die Gesundheit der Menschen. Hier waren sich die Diskutant*innen wieder einig: Wir müssen solidarisch bleiben und weiterhin interdisziplinäre und sektorübergreifende Allianzen bilden, um den anstehenden Herausforderungen zu begegnen und notwendige Veränderungen umsetzen zu können.


"Eine schöne neue Welt? Das Potenzial der künstlichen Intelligenz" (23.07.2024, 12.00 Uhr)

In dieser Sitzung wurden die transformativen Auswirkungen der künstlichen Intelligenz (KI) in verschiedenen Bereichen untersucht. Die Referent*innen beleuchteteten unterschiedliche Aspekte, wie künstliche Intelligenz medizinische Angebote, Diagnostika und Entscheidungsprozesse von Gesundheitsdienstleister*innen verbessern und optimieren kann. Mit Vorträgen, die zum Nachdenken anregten, von:

  • Einführung von Tham Tran, PATH (Vietnam)        
  • "Das Potenzial von KI für die Unterstützung von Expert*innen im Gesundheitswesen" von Doris Macharia, Orbis Inetrnational (Südafrika)     
  • "Das Potenzial von KI für Coaching und Beratung vulnerabler Menschen" von Zhao Ni, Yale University (USA)
  • "Das Potenzial von KI in Hinblick auf die Verbesserung von Programmleistungen" Peter Wang, National University of Singapore (Singapor)

Es wurden unterschiedliche Modelle vorgestellt, die unterschiedlichste Einsätze KI-gestützter Entwicklungen im Gesundheitsbereich beleuchteteten. Von der Diagnose von Augenerkränkungen bei Diabetiker*innen über Arzneimitelentwicklung und Gamification im medizinischen Kontext bis hin zu Coaching und Beratungsangebote schutzbedürftiger Menschen. An einem Beispiel aus Malaysia, wo im Rahmen eines fünfjährigen Projekts ein Chatbot entwickelt werden soll mit dem Ziel, die Zahl der HIV-Tests in Malaysia zu erhöhen. Gleichzeitig ist aufgrund der Kriminalisierung homosexueller Handlungen in Malaysia der Zugang für MSM zu Testangeboten mit zahlreichen Hürden versehen. Diese Barrieren sollen mit dem zu entwickelnden Angebot überwunden werden. Mit der Bereitstellung von zielgruppenspezifischer Echtzeitinformationen soll die Motivation und Verhaltenskompetenz in Hinblick auf HIV-Testung, psychischer Gesundheit und PrEP-Zugangf von MSM verbessert werden.

Fremde, schöne Neue Welt?!: es wurde deutlich, dass in Staaten wie Malaysia, Vietnam, Kenia, Ruanda etc. eine völlig andere Notwendigkeit der Erreichbarkeit von Zielgruppen besteht als in Deutschland. Zum einen, wenn auch nichts Neues, leben wir was gesundheitliche Versorgung und Beratungs- und Präventionsangebote anbetrifft auf einer "Insel der Seligen". Zum anderen wurde deutlich, das die Möglichkeiten des Einsatzes von KI auch im Kontext gesundheitlicher Angebote bereits Einzug gehalten haben. Sicherlich auch für Deutschland spannend. Als kurzes Resumee der Session wurde deutlich, dass Fragen der Kommunikation, Beteiligung der Zielgruppen bei der (Weiter-)Entwicklung KI-gesteuerter Beratungsangebote die Aufgabenstellung und Entwicklung sehr komplex machen aber unabdingbar integraler Bestandteil sein müssen, damit diese Angebote erfolgreich sein können. Hinzu kommen datenschutzrelevante Aspekte.

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