2023-03-31: Drug Checking Day - Wie steht es um die Vorhaben der neuen Ampelregierung?

Drug Checking Day 2023Die anhaltenden Forderungen von drogengebrauchenden Menschen, Selbsthilfeverbänden sowie Beratungsstellen nach Einführung und rechtlicher Absicherung von Drug-Checking-Angeboten in Deutschland erhalten immer mehr Gehör: So steht die Ermöglichung und der Ausbau von Drug-Checking-Modellen auch im Koalitionsvertrag der neuen Ampelregierung (vgl. spd.de). Dieser Schritt ist dringend notwendig, dies zeigen die steigenden Zahlen verstorbener Drogengebraucher*innen aus den letzten Jahren. Noch nie waren die Zahlen so alarmierend hoch und trotzdem scheint es noch zu dauern, bis Konsument*innen ihren Stoff auf Inhalt und Dosierung kostenfrei, anonym und ohne strafrestliche Konsequenzen testen lassen können. 

Nochmal zur Erklärung: Was ist Drug-Checking?

Drug Checking, oder auch analysegestützte Beratung, ist ein Angebot der Gesundheitsförderung, Schadensminimierung, Konsumreflexion und Suchtprävention. Konsument*innen werden über Zusammensetzung, Wirkweisen und mögliche Risiken wie Drogennotfälle durch Überdosierungen und Substanzverunreinigungen aufklärt. Drug-Checking ermöglicht darüber hinaus ein Monitoring des nicht regulierten Marktes für psychoaktive Substanzen, wodurch schadensminimierende Maßnahmen und Prävention frühzeitig entwickelt werden können. Kontrovers und mit anhaltender Unsicherheit wird dabei vor allem der laboranalytische Teil diskutiert, da es sich vermeintlich um den Umgang mit Betäubungsmitteln handelt. Die Unbedenklichkeit bei der praktischen Umsetzung ist jedoch mittlerweile in mehreren Rechtsgutachten aufgezeigt worden, so zuletzt im Berliner Modellprojekt (vgl. aidshilfe.de). Und doch be- bzw. verhindert diese Unsicherheit nun seit fast drei Jahrzehnte die (Re-)Implementierung von Drug-Checking in Deutschland.

Drug Checking wirkt - das zeigen viele internationale Erfahrungen!

In Ländern wie Österreich, Spanien und den Niederlanden ist Drug-Checking bereits fest im Drogenhilfesystem etabliert, in der Schweiz gibt es solch ein staatlich finanziertes Angebot bereits seit 20 Jahren. Die Studie des Schweizer Bundesamts für Gesundheit (vgl. bag.admin.ch) belegt, dass Drug Checking gesundheitliche Beeinträchtigungen bis hin zu tödlichen Überdosierungen verhindern kann. Zudem können schwer zu erreichende User*innen niedrigschwellig erreicht werden. Auch geeignete Rahmenbedingungen für Drug-Checking-Angebote in den Schweizer Kontakt- und Anlaufstellen (vgl. infodrog.ch) wurden bereits evaluiert.

Weitere Studien (vgl. ndarc.med.unsw.edu.au) zeigen, dass Drug-Checking nicht konsumfördernd wirkt, sondern tendenziell zu einem vorsichtigeren und bewussteren Substanzkonsum beiträgt.

Praktische Umsetzung auf Bundesebene?

Ungeachtet dieser internationalen Belege und Erfahrungen lässt die Umsetzung auf deutscher Bundesebene bisher auf sich warten. Doch es gibt einzelne Modellprojekte, die Hoffnung machen:
So zuletzt ein Projekt aus Thüringen. Das Safer-Nightlife-Projekt Drogerie in Trägerschaft der SiT-Suchthilfe hat im Auftrag der Thüringer Landesregierung und in Kooperation mit dem Unter-nehmen miraculix eine kreative und rechtssichere Lösung für praktisches Drug-Checking entwi-ckelt. "SubCheck" lässt die Partygänger*innen selbst zu Laborassistent*innen werden. Sie bereiten die zu untersuchenden Proben vor, wiegen die für die Analyse benötigte Menge ab und ge-ben sie in eine chemische Lösung, welche die Substanzen aufspaltet. Die Mitarbeiter*innen des Labors haben so bei Analyse keinen Umgang mit Betäubungsmitteln. Die ersten Erfahrungen dieses Angebots zeigen stützend zu den internationalen Ergebnissen, dass Drug-Checking zum Risikomanagement von Konsument*innen beitragen kann (vgl. drogerie-projekt.de). Eine kreative Lösung die sich NRW mit der selben Regierungszusammensetzung abgucken könnte.

Doch NRW lässt auf sich warten

Trotz Motivation des MAGs aufgrund der hohen Zahl der verstorbenen Drogengebrauchenden in NRW sind hier bislang noch keine praktischen Schritte von Landesebene sichtbar.
Mehrere Empfehlungen auf Landesebene machen jedoch politisch Druck, so die Harm-Reduction-Empfehlung des Beirats der Suchtkooperation NRW und der Arbeitsgemeinschaf AIDS-Prävention NRW (vgl. aids-nrw.de).
Auch akzept e.V. hat hierzu ebenfalls einen Reader verfasst (akzept.eu). Darin wird über die Notwendigkeit und die Nutzungs- und Umsetzungsmöglichkeiten von Drug-Checking aufgeklärt und rechtliche Regelungsbedarfe und -möglichkeiten diskutiert. Ebenso werden konkrete Vorschläge zur Förderung von Drug-Checking durch Politik und Verwaltung gemacht. Dabei richtet er sich insbeson-dere an den Drogenbeauftragten der Bundesregierung, die Fraktionen von Bundestag und Land-tagen, aber auch an Interessierte der Fachöffentlichkeit. Zusätzlich setzen sie sich für die Anerkennung von Drogengebraucher*innen als vollwertige, autonome Mitglieder der Gesellschaft und deren Entscheidung zu Konsum und Rausch als legitime selbstbestimmte Handlung fort.
Das Positionspapier von akzept e.V., Deutscher Aidshilfe e.V., JES e.V., Schildower Kreis und SONICS e.V. finden Sie unter akzept-nrw.eu.

Bund, Länder und Kommunen sind weiterhin gefragt, die Realisierung von Drug-Checking aktiv zu fördern und niedrigschwellige, mobile und nachhaltig implementierte Angebote zu schaffen.

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