Anlass für diese Veranstaltung, zu der Justizminister Benjamin Limbach zum DÖAK gekommen war, ist ein länderübergreifendes Modellprojekt in drei Justizvollzugsanstalten in Kassel (Hessen), Köln und Bochum (Nordrhein-Westfalen).
Anja Leisch-Kampschulte, Anstaltsärztin der JVA Bochum stellte das Modellprojekt "HCF freie Gefängnisse" vor. Alle Inhaftierten der beteiligten JVAen in Köln und Bochum werden bei Aufnahme von den Mediziner*innen über Hepatis und mögliche Testangebote informiert. Bei Zustimmung der Inhaftierten werden die Tests durchgeführt. Bei einem positiven Testergebnis erfolgt eine entsprechende Behandlung. Voraussetzung ist eine entsprechende Haftdauer, denn für eine Behandlung werden acht Wochen benötigt.
Anja Wolf, Mitarbeiterin der Aidshilfe Bochum, beschrieb ihre Mitwirkung am Modellprojekt. Sie führt im Auftrag der JVA mit den behandelten Inhaftierten eine Rückfallprophylaxe durch. Sie betonte, dass ihr Ansatz die Suchtakzeptanz und nicht die Abstinenz ist und dass sie die Klient*innen dahingehend berät, auch im Falle eines weiteren Konsums diesen möglichst wenig gesundheitsschädlich durchzuführen.
Es folgte eine kritische Nachfrage, warum unbedingt ein Modellprojekt in nur zwei Anstalten in zwei Jahren durchgeführt werden muss, anstatt direkt Beratung- und Behandlungsmöglichkeiten in allen JVAen in NRW zu ermöglichen. Minister Limbach erwiderte, dass es zwar grundsätzlich jederzeit möglich ist, Inhaftierte zu testen und zu behandeln, wenn diese das wünschen, dass aber grundsätzlich Modellprojekte wie dieses dazu dienen, Erfahrungen zu machen, mit denen nach der Modellphase flächendeckend Konzepte in allen JVAen durchgeführt werden können. Er räumte ein, dass dies für Außenstehende nicht unbedingt nachvollziehbar sei, dass aber mit den Ergebnissen von Modellprojekten eine höhere Akzeptanz bei Anstaltsleitungen und Bediensteten erzielt werden könnte.
Willehad Rensmann, Vorstandsmitglied der Aidshilfe NRW, wies darauf hin, dass die Zeit dränge und er befürchte, dass nach Ablauf des Modellprojektes und der entsprechenden Auswertungsphase die Zeit weiter fortgeschritten sei und das Etappenziel von 2030 sehr unwahrscheinlich wird. Minister Limbach entgegnete, dass die Zeit wahrscheinlich wirklich nicht ausreiche, dass er aber versichert, dass alle JVAen in NRW über den Ablauf und dei Erfolge des Modellprojekts jederzeit auf dem Laufenden gehalten würden und somit vorbereitet seien.
Strittig blieb der Punkt der Spritzenabgabe in Haft. Minister Limbach schilderte, dass es für sein Ministerium Priorität hätte, die abhängigen Inhaftierten zu substituieren und dass Spritzenvergabe in Haft dem zuwiderlaufen würde. Dies sei ihm von den Expert*innen seines Hauses nachvollziehbar vermittelt worden. Dem widersprach nicht nur Willehad Rensmann, auch aus dem Publikum kamen mehrere Wortmeldungen, die die wissenschaftlich belegten Erfolge von Spritzenausgaben in Haft, etwa in der Schweiz und in Katalonien, herausstellten.
Fazit der Veranstaltung: Tests und Behandlungen von Hepatitis müssen in allen JVAen des Landes zugänglich sein, wenn Inhaftierte das wünschten. Sofern das Modellprojekt erfolgreich abgeschlossen ist, sollen auch in den anderen Anstalten entsprechende Programme aufgelegt werden. Zusammen mit der Substitution, die der Minister als Gamechanger bezeichnete, sollte dies zu weniger HCV-Infektionen bei Inhaftierten führen. Über das Thema Spritzenvergabe wollen sich die Aidshilfe NRW und der Justizminister weiterhin austauschen.
_______
Vom 23. bis 25. März 2023 findet in Bonn der 11. Deutsch-Österreichischen-AIDS-Kongress (DÖAK 2023) unter dem Motto „HIV und AIDS - (K)eine Generationenfrage“ statt.
Expert*innen aus Medizin, Forschung, Politik und Aidshilfe, aber auch engagierte Menschen mit HIV, werden neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu HIV und Altern, aber auch Auswirkungen und Bedeutung von HIV über alle Generationen hinweg diskutieren.
Die Aidshilfe NRW ist mit vielen Kolleg*innen vertreten, beteiligt sich an den verschiedenen Sessions und organisiert selbst fünf Workshops (doeak-kongress.de/aidshilfe-nrw/).
Hier gelangen Sie auf eine sichere Seite der Bank für Sozialwirtschaft, auf der Sie über ein Formular Ihre Spende direkt an die Aidshilfe NRW überweisen können.
Möchten Sie unseren Newsletter abonnieren? Dann finden Sie hier mehr: